Von Taiwan nach Mecklenburg-Vorpommern

Jacqueline Bernhardt entdeckt die große Welt im Kleinen

Artikel geschrieben für die Fraktionsseite der Landtagsfraktion DIE LINKE M-V

Jacqueline Bernhardt ist eine Senkrechtstarterin in der Politik. Als sie 2004 nach Mecklenburg-Vorpommern zog, war sie noch nicht einmal Mitglied einer Partei. Dass sie bei der Linken landet, war ihr nicht in die Wiege gelegt. Ist sie doch evangelisch erzogen – getauft, konfirmiert und heute noch Christin. „27 Jahre hatte ich mit Politik nicht viel am Hut“, blickt die aufgeschlossene Mittdreißigerin zurück. Politisch interessiert sei sie natürlich gewesen, aber nicht politisch engagiert. Zunächst standen bei der gebürtigen Leipzigerin andere Dinge im Vordergrund. „Meine Eltern hatten zwar keine Reichtümer, aber sie legten Wert darauf, dass ich studiere. Das wollte ich auch“. Einen Traumberuf hatte sie damals auch: Richterin. Sechs Jahre ackert sie, hockt über Büchern, durchpflügt Paragraphen. Zwischendurch ein Auslandssemester in Wien, dann hat sie 2001 ihr Erstes Juristisches Staatsexamen in der Tasche.

Damals ist Leipzig ihr Lebensmittelpunkt. Von dort aus zieht sie in die große weite Welt – verbringt mehrere Monate in Taiwan, bei der deutschen Außenhandelskammer. Sie lernt hilfsbereite Menschen kennen und auch sonst eine ganze Menge. „Was Geduld bedeutet, zum Beispiel.“ Und dass Deutschland, wo alles immer irgendwie geregelt sein muss, durchaus Vorteile hat. Dorthin kehrt sie zurück, nach einer „tollen Zeit“, schließt ihr Zweites Staatsexamen ab, beendet auch ihr Aufbaustudium zum Europäischen Recht – und wird erst mal arbeitslos.

Doch wer sich in der großen, weiten Welt schon mal den Wind hat um die Nase wehen lassen, der ist irgendwann bereit, sein Glück in der kleinen Welt zu entdecken. Sie zieht zu ihrem langjährigen Freund nach Mecklenburg-Vorpommern, genauer nach Groß Laasch – eine kleine Gemeinde bei Ludwigslust. Dort beginnt für sie ein „Abenteuer“ ganz anderer Art: das der Politik.

Doch zunächst einmal bleibt sie bei ihren Leisten. „Ich hatte das Glück, ein liebenswertes Ehepaar kennenzulernen, das mir half, beruflich Fuß zu fassen“. Der Rechtsanwalt und seine Frau – die beiden könnten vom Alter her ihre Eltern sein – stellen der jungen Juristin einen Raum in ihrer Ludwigsluster Kanzlei zur Verfügung. Zwei Jahre arbeitet sie als selbständige Rechtsanwältin. Und lernt von ihren Förderern einiges dazu: „Auch, dass jeder die Pflicht hat, sich gesellschaftlich einzubringen“. So begibt sie sich in ihrer neuen Heimat auf die Suche nach einem politischen Zuhause. Das findet sie schließlich bei der Linken. „Ich bin bodenständig und gradlinig. Jemandem nach dem Munde reden, nur weil er vielleicht eine höhere Funktion hat, das liegt mir nicht.“ Bei der Linken habe dies auch niemand von ihr erwartet. „Für den Nächsten einstehen, möglichst alle mitnehmen, das sind soziale Gedanken, die mir wichtig sind“, sagt Jacqueline Bernhardt und ist überzeugt, dass ein christlicher Glaube und „links sein“ sehr wohl zusammenpassen.

Und weil sie es ernst meint mit dem „Sich-Einbringen“, engagiert sie sich in Arbeitsgemeinschaften, Orts- und Kreis-Vorstand der Partei und auch in ihrer Gemeindevertretung. Ihren juristischen Sachverstand nutzt bald auch der Landtag. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin lernt sie die Arbeit in Untersuchungsausschuss und Enquetekommission kennen, dann berät sie die Fraktion in Rechtsfragen. Für die Kanzlei bleibt keine Zeit mehr.

Als ihr Sohn Paul zur Welt kommt, teilt sie sich die Elternzeit mit ihrem Lebensgefährten. Dann probiert sie es selbst mit der Politik. 2010 schickt die Linke sie als Kandidatin im Bürgermeister-Wahlkampf in Ludwigslust ins Rennen. „Ich wollte wissen, wie es ist, in der ersten Reihe zu stehen“, erklärt sie. Von sieben Kandidaten erreicht die nahezu unbekannte, junge Mutter einen achtbaren 3. Platz. Und weil sie merkt, dass ihr die Arbeit in der Politik Spaß macht, setzt sie sich unerschrocken ein neues Ziel: Sie will in die Landespolitik. Der Zuspruch von Freunden und Genossen ermutigt sie. Auf dem Nominierungsparteitag erkämpft sie Platz 3 auf der Landesliste der Linken – und zieht 2011 ein ins Schloss. Dort arbeitet sie als Sprecherin für Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Damit ist Jacqueline Bernhardt zwar nicht Richterin geworden, aber Anwältin – für einen Teil der Gesellschaft, der ihr am Herzen liegt.